Üben für den Ernstfall

Junior Wahl am Humboldt-Gymnasium


„Politische Bildung ist heute wichtiger denn je. Demokratiefeindliche Tendenzen, politische Gleichgültigkeit, das Misstrauen gegenüber politischen Akteuren und die fehlende Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, stellen Gefahren für die Demokratie dar. In einer Zeit, in der die über 70-jährigen die größte Gruppe der Wahlberechtigten zu Bundestagswahlen stellen und die Parteien Schwierigkeiten bei der Mobilisierung von Nachwuchs haben, ist es besonders wichtig, Jugendliche für politische Themen zu begeistern, ihnen Gehör zu verschaffen und sie in ihren Belangen ernstzunehmen. Die Juniorwahl möchte daher einen wichtigen Beitrag für die Einbindung junger Menschen in politische Prozesse leisten und damit langfristig eine Stärkung der Demokratie bewirken.“ (www.juniorwahl.de)

Das Projekt Juniorwahl entstand 1999 in Berlin, wo zum ersten Mal drei Schulen teilnahmen. Mittlerweile wird die Juniorwahl im Zusammenhang mit Landtags-, Bundestags- und Europawahlen bundesweit durchgeführt und insgesamt haben bereits 2,8 Millionen Schülerinnen und Schüler an dem Projekt teilgenommen. An der Juniorwahl zur Landtagswahl 2018 nahmen 637 Schulen mit mehr als 115.000 Schülerinnen und Schülern teil. Auch das Humboldtgymnasium beteiligte sich mit fünf zehnten Klassen an der Juniorwahl.

Das Konzept besteht aus zwei Säulen: Zunächst wird die Wahl im Unterricht vorbereitet. Dabei setzen die Schülerinnen und Schüler sich intensiv mit den Partizipationsmöglichkeiten in der Demokratie auseinander und erkennen, dass die politische Beteiligung fundamentale Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist. Anhand aktueller politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen üben die Schülerinnen und Schüler im vorbereitenden Unterricht, sich eine Meinung zu bilden. Seinen Höhepunkt findet das Projekt in der möglichst realitätsnahen Simulation des Wahlaktes.

Schon in der unterrichtlichen Vorbereitung, vor allem aber am 9.10.2018, dem Wahltag am HGV, konnte man merken, wie ernst die Schülerinnen und Schüler die Juniorwahl nahmen. Im Unterricht wurde immer wieder deutlich, dass sich die 10.-Klässler mit tagesaktuellen politischen Entwicklungen beschäftigten und sich Gedanken, über ihre bevorstehende Wahl machten. Sorgfältig wurden die eine Woche vor der Wahl zugestellten Wahlbenachrichtigungen aufbewahrt und tatsächlich hatte nur ein verschwindend geringer Teil der Schülerinnen und Schüler diese am Wahltag nicht dabei. Bang fragten diese Schülerinnen und Schüler nach, ob sie dennoch wählen dürften und man konnte ihre Erleichterung förmlich spüren, dass eine vergessene Wahlbenachrichtigung nicht zu ihrem Ausschluss von der Wahl führte. Auch die Wahlbeteiligung von 94,7% am HGV zeigt den Erfolg des Projektes. Denn: Jugendliche sind nicht politisch uninteressiert, nur finden sie ihre Interessen nicht zwangsläufig in den Programmen der etablierten Parteien widergespiegelt. Nichtsdestotrotz erhalten diese zusammengerechnet 77,4% der Stimmen am HGV.

 

Auch nach der Wahl blieb das Interesse der Schülerinnen und Schüler groß, denn sie warteten fieberhaft auf die Ergebnisse sowohl der Landtagswahl als auch der Juniorwahl und die Analyse im Unterricht in der Woche nach der Wahl zeigte erneut die ernsthafte Bereitschaft junger Menschen, sich mit aktuellen politischen Entwicklungen auseinanderzusetzen.

Das Wahlergebnis am HGV entspricht in weiten Teilen in etwa dem der Juniorwahl in Bayern. Nur das Landtagswahlergebnis weicht doch in manchen Bereichen deutlich vom Votum der Schülerinnen und Schüler ab. Man darf also gespannt sein, wie die Ergebnisse der nächsten Landtagswahlen ausfallen, wenn die heute 15- und 16-Jährigen zum ersten Mal an die echte Wahlurne schreiten. Vielleicht wäre es auch einmal an der Zeit, dass sich die Politik mit den Jugendlichen und damit den zukünftigen Wählern auseinandersetzt.

 

 

Sonja Bergler und Sabine Engelsberger